Künstlerische Entwicklung


Honeggers Œuvre entwickelt sich über umfangreiche Werkphasen, die spezifische Themen formulieren: Tableau-Relief, Biseautage (Tafelbilder), Volume, Monoforme,Structure, Fragment (Plastiken), Tableau-Espace und Artefakt (Wandobjekte). Honegger verbindet das rationale Prinzip der konstruktiven Kunst, etwa Logik und Systematik, mit den nicht berechenbaren Komponenten von Einfühlung und Spontaneität sowie der Zufallsmethodik. Als Hauptthemen seines Werkes können die Synthese der Gegensätze, die Untersuchung der Farbe (vorwiegend innerhalb der Monochromie), der Figur und ihrer Fragmente (Kreis und Quadrat) und die Formulierung von Volumen und Raum zusammengefasst werden.


Das malerische Hauptwerk setzt in den 1950er-Jahren mit einer organisch geprägten Abstraktion ein (Sent, 1954), die um 1957 zunehmend geometrisiert wird. Unter dem TitelTableau-Relief entsteht bis heute der zentrale malerische Zyklus von meist monochromen, seltener mehrfarbigen, oft auch mehrteiligen Bildobjekten. Bis um 1980 bevorzugt Honegger dafür das Verfahren der Collagetechnik; die lebendige Faktur sowie der zarte Reliefcharakter der Bildobjekte kommen durch manuell auf die Leinwand applizierte Kartonplättchen zustande, die in mehreren lasierenden Schichten bemalt oder mit Grafitstift behandelt werden, wodurch eine stark lichtreflektierende, ausgeprägt malerisch-sensuelle Oberfläche erzielt wird (Tunika, 1960, Collage und Öl auf Leinwand, Sammlung Jack Waser, Zürich). In den 1980er-Jahren vertieft sich Honegger in die Untersuchung des Spannungsfeldes zwischen regelmässigem Kompositionsraster und sogenannter Restfläche; ein ausgeprägteres Relief sowie die Erweiterung der Farbpalette um zahlreiche ungewohnte Zwischentöne sind die Charakteristika. In den 1990er-Jahren, bei gleichbleibender Thematisierung von Kreis- und Quadratform, Ausrichtung auf eine neue Bildsprache. Diese neue Folge der Tableaux-Reliefs umfasst seitdem grossformatige, neutral gemalte zweiteilige Bildobjekte vom Typus des Shaped Canvas, in denen in der Regel ein Kreis- und ein Quadratausschnitt aneinanderstossen (unter anderem der Reutlinger Werkzyklus, 1991–92).

Das plastische Werk ist ausgeprägt systematisch und konstruktiv ausgerichtet; es gründet analog zur Malerei auf einzelnen Themenkreisen und steht fast ausschliesslich im Kontext von Kunst und Öffentlichkeit beziehungsweise Kunst am Bau. Diese Aufgabe wird von Honegger so definiert, dass sie sowohl ästhetischen als auch sozialen Anforderungen zu genügen und der Idee der «Ökologie des Schönen» zu folgen habe. In den 1960er Jahren vorwiegend Wandreliefs in Beton (zum Beispiel Wandrelief, 1968, Schulhaus Villmergen), ab den 1970er-Jahren vermehrt vollplastische Arbeiten, meist in einem regulären System aus mehreren Formsegmenten zusammengesetzt. Vorliebe für Chromstahl und Stein (Granit, Marmor), wobei dieser oft in Kombination von polierten und unpolierten Oberflächen zur Wirkung gebracht wird, seltener Herstellung in Aluminium oder Messing. Von 1968 bis um 1978 intensive Auseinandersetzung mit der Kugel und dem Kugelsegment, ersichtlich im Zyklus Volume (Volume 19, 1974, Chromstahl, Collège Nevers; Volume 20, 1975, Polyester, Tulsa, Oklahoma, First National Tower). Parallel dazu Beschäftigung mit Variationen und Kombinationen von Körperfragmenten auf der Basis eines vorerst regulären Systems unter dem Titel Structure (Structure 3, 1975–76, Stahl, bemalt, Université de Dijon). Dabei wird die mathematische Grundlage durch Formfindungen über die Zufallsmethode zum Teil ersetzt beziehungsweise ergänzt (Structure 2, Chromstahl und Beton, 1972, Zürich, ETH Hönggerberg, Alfred-Altherr-Terrasse), wie sie desgleichen in Malerei und Zeichnung Anwendung findet. Seit den 1980er-Jahren basiert der Aufbau im Plastikzyklus Monoforme auf einer einzelnen Form respektive einem einzelnen Segment über Schichtungen und Drehungen (Monoforme 27, Hommage an die Zahl 2, 1990–91, Granit, Adliswil-Zürich, Swiss Re); in der WerkfolgeDivision, ab etwa 1988, beruht das zentrale Thema auf der Teilung, die sowohl die Konstruktion als auch oft die Oberflächen bestimmt. In den 1990er-Jahren verbindet Honegger die Plastik mit der Farbe; dadurch und durch das gemeinsame Formenspektrum Annäherung an die Werkgruppe der Tableaux-Espaces. Diese grossformatigen, in der Regel vertikal angeordneten, sowohl ein- als auch mehrteiligen Wandobjekte basieren auf manchmal einfachen, manchmal komplizierten Formkombinationen und bilden das Bindeglied zwischen dem malerischen und dem freiplastischen Werk.

Ausser mit dem Bild- und Wandobjekt sowie der freistehenden Plastik setzt sich Honegger auch mit der Zeichnung und vor allem der Druckgrafik auseinander: Vorliebe für ungewöhnliche Druckverfahren, für die Herausgabe von Mappenwerken, Serien und Einzelblättern in bewusst kleinen Auflagen. Hinzu kommen die Gestaltung von spielerischen Lehrmitteln (Legespiele, Videos) für den pädagogischen Unterricht sowie die Ausstellungskonzeption, die Publizistik und die Kunstvermittlung. Somit manifestiert sich Honeggers künstlerisches und soziales Interesse in einem vielfältigen praktischen und theoretischen Arbeitsfeld; es baut zwar auf periodischen thematischen Wechseln, aber steten gesamtheitlich gedachten Querbezügen innerhalb der Medien und Aktivitäten auf. Gottfried Honegger hat bis zu seinem letzten Lebenstag in seinem Atelier gezeichnet und gemalt.